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17. Berlin 1961: Die Mauer war nötig, sie verhinderte das vom Westen angestrebte Ausbluten. So bekam die DDR eine minimale Chance – und nutzte sie.

Dieses Kapitel ist für mich das schwierigste, weil ich deutsche Freunde vor den Kopf stossen muss.

a) Unter den Alliierten gab es vor Kriegsende einflussreiche Persönlichkeiten, welche Deutschland aus Rache und Kriegsangst in ein Agrarland verwandeln wollten, so der US-Finanzminister Henry Morgenthau (1891-1967). Bei den westlichen Alliierten überwog aber die Absicht, in das Nachkriegs-Deutschland zu investieren und es zu einem Bollwerk gegen Russland aufzurüsten (vgl. Kap. 11), und dafür hätte sich ein „Land der Schrebergärten“ nicht geeignet (L.L.Matthias S.137). Zunächst aber pochte die Sowjetunion, welche ja den grössten Aderlass erlitten hatte, auf Reparationslieferungen. Die Westmächte stellten jedoch diejenigen aus den westlichen Besatzungszonen im aufkommenden Kalten Krieg bereits 1947 ein. Für die sowjetische Besatzungszone und spätere DDR, welche zu einer Wiedergutmachung von zehn Mia. $ verpflichtet war, bei einer Gesamtsumme von 20 Mia. $, bedeutete das, dass sie auch den nun ausfallenden Teil der westlichen Besatzungszonen übernehmen musste, total 15 Mia. $, obwohl sie weniger als ein Drittel Deutschlands ausmachte. Die DDR leistete 30% ihrer Industriekapazität als Reparation an die UdSSR.
Als die Reparationen 1953 für beendet erklärt wurden, hatte die DDR die höchsten im 20. Jahrhundert bekanntgewordenen Reparationsleistungen erbracht. Die Reparationen der DDR betrugen insgesamt 99,1 Mrd. DM (zu Preisen von 1953) – die der Bundesrepublik Deutschland demgegenüber 2,1 Mrd. DM (zu Preisen von 1953). Die DDR trug damit 97–98 % der Reparationslast Gesamtdeutschlands, pro Person also das 130-fache.
In den gleichen Jahren (1948-1953) erhielt Westdeutschland, anders als die DDR, vom gesamten Marshallplan (
European Recovery Program) zehn Prozent, nämlich 1,4 Mia. $. Seitens der USA waren diese Gelder ein Faktor im Rahmen ihrer Eindämmungspolitik gegenüber der UdSSR (Truman-Doktrin), wobei 70% als Kauf von Gütern zurückflossen, und seitens der BRD waren sie eine gute Starthilfe im nun beginnenden Wettbewerb der Systeme: Marktwirtschaft gegen Planwirtschaft. Die Marshallplan-Gelder waren zwar auch der Sowjetunion und Osteuropa angeboten, aber als Einmischung in die Souveränität der europäischen Länder (Abrechnungspflicht) abgelehnt worden. Die UdSSR reagierte mit dem Molotow-Plan, aus dem der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW/ Comecon) entstand.

b) Ich halte fest: Die wirtschaftlichen Startchancen der beiden deutschen Staaten waren wegen völlig unterschiedlicher Reparationsleistungen und Aufbauhilfen extrem gut für die BRD und extrem schlecht für die DDR. Zudem waren ihre beiden Paten aus dem 2. Weltkrieg völlig unterschiedlich hervorgegangen, die USA unversehrt, die UdSSR völlig versehrt. Hinzu kam, dass die Westdeutschen ihren Aufbau in der gewohnten privatwirtschaftlichen Weise in Angriff nehmen konnten, während sich die Bevölkerung in der sowjetischen Besatzungszone auf eine antifaschistische Wirtschaftsweise umstellen musste, die Produktion in Volkseigenen Betrieben. Und schliesslich entfachte Westdeutschland gegenüber der DDR eine Politik der Propaganda, welche auf Abwerbung v.a. von Fachkräften zielte. Die Absicht war klar: das westliche als das global bessere politische System darzustellen und einen Sog der Abwanderung nach Westen auszulösen, die „Abstimmung mit den Füssen“. Im Laufe der 50er Jahre gelang es dem Westen, durch die offene Grenze im Vier-Mächte-Berlin die DDR an den Rand des Ausblutens zu bringen. Ich erinnere mich gut an die gigantischen Lautsprecher-Anlagen an der Zonengrenze, mit denen Westdeutschland um 1960 seine Konsumvielfalt und Reisefreiheit sowie den höheren Lebensstandard anpries (Äther-Krieg).

c) Seit 1949 hatten 2,6 Mio. Menschen die DDR verlassen, die meisten über West-Berlin, das Schaufenster des überlegenen Systems. 1960 waren 200’000 DDR-Bürger in den Westen ausgewandert, 1961 bis zum Mauerbau im August ebenso viele. In West-Berlin arbeiteten 60’000 Grenzgänger, welche in West-Mark entlöhnt wurden, während in Ost-Berlin 45’000 Arbeitskräfte fehlten. Auch Armee- und Polizei-Angehörige begingen die strafbare „Republikflucht“. Kurz: Das Berlin-Problem wurde zu einem existentiellen Problem für die DDR und damit für den ganzen Ostblock. Chruschtschow forderte Ende 1958 die Umwandlung Berlins in eine freie entmilitarisierte Stadt und den Abzug der alliierten Truppenkontingente, andernfalls werde die UdSSR mit der DDR einen separaten Friedensvertrag abschliessen. Die Westmächte wussten sich am stärkeren Hebel und lehnten ab (Bruno Thoss 1995, Vom Kalten Krieg zur deutschen Einheit, S.128ff). Innerhalb des Ostblocks war der DDR die Rolle eines „sozialistischen Bollwerks“ gegenüber der Bundesrepublik zugedacht (Thoss S.130f). Dieser Funktion konnte sie natürlich nur genügen, wenn die von ihr ausgebildeten Fachkräfte nicht abwanderten. Davon ging sicherlich nicht nur die Staats- und Parteiführung aus, sondern auch derjenige Teil der ostdeutschen Bevölkerung, der sich nicht in einem Gefängnis fühlte, sondern eifrig oder jedenfalls redlich, 15 Jahre nach Überwindung des deutschen Faschismus und nach dem Abarbeiten von 97% der deutschen Reparationslast, am Aufbau eines friedliebenden deutschen Staates mitarbeitete.

d) Am 13. August 1961 sperrte die DDR-Führung ihren Teil Berlins gegen die drei West-Sektoren ab und begann mit dem Bau der Mauer. Ich hatte damals Herrn Wyss (vgl. Kap. 1b) noch nicht getroffen; ich empörte mich wie alle ringsum: Das war wieder einmal ein Beweis und ein besonders empörender dafür, dass die Kommunisten die Bösen waren auf dieser Welt und wir im freien Westen die Guten. Und es war der Bankrott dieses Systems! Ich hatte keine Ahnung davon, dass der Mauerbau vielerorts in Ost und West begrüsst wurde: In der sowjetischen Öffentlichkeit wurde die Nachricht vom Bau der Mauer mit gewaltiger Erleichterung aufgenommen – übrigens genau wie in anderen Hauptstädten der Welt. Die Berlin-Krise mit all ihren Eskalationsrisiken war fürs Erste entschärft. Das Wissen um die Monstrosität dieser Lösung, über zerbrochene Schicksale, über Schießbefehle kam erst später.

e) Das Ausbluten war nun zwar gestoppt – aber zu welchem Preis? Der Schiessbefehl an der innerdeutschen Grenze führte nämlich zum Ausbluten so manches Republikflüchtigen, und jeder Gast West-Berlins wurde zur Mauer geführt, um auf speziell errichteten Plattformen nach drüben zu schauen und sich über dieses Schandmal des Kommunismus zu empören. Die Mauer wurde zum Symbolbild sozialistischer Unfreiheit und Unterdrückung.

Wirtschaftlich jedoch war der Mauerbau der Beginn eines ostdeutschen Wirtschaftswunders. In den folgenden 25 Jahren verdreifachten sich Gesamtproduktion und Nationaleinkommen, die Versorgung mit Konsumgütern verachtfachte sich, ebenso der Aussenhandel. Die DDR erreichte innerhalb des Ostblocks den höchsten Lebensstandard und wurde zu den bedeutenden Industriestaaten weltweit gezählt, in Europa mit Rang 6. Auch die Errungenschaften auf den Gebieten Gleichstellung, Einkommensverteilung, Bildung, Sport, Kultur, Medizin, Wissenschaft, Wohnen und Verkehr waren beachtlich. Die DDR beteiligte sich an keinen Kriegen, an keinem kriegerischen Bündnis und an keiner Ausbeutung des Südens. Für die Absicht dieses Kapitels (vgl. unten) ist es müssig, auf die vielen Nachteile und Unfreiheiten des Lebens in der DDR hinzuweisen – und auf die vielen Vorteile …

f) Ich stelle mich nämlich der Frage, ob die DDR-Führung, mit Rückhalt in Moskau, vor dem Mauerbau überhaupt eine Wahl hatte. Wenn nicht, dann ist dieser kein Argument für Freiheit statt Sozialismus, keines gegen den Sozialismus an sich, ja nicht einmal eines gegen den real existierenden Sozialismus in der DDR. Gegen diesen lässt sich höchstens anführen, dass er im Marx’schen Sinne nicht human genug, nicht gemeinschaftlich genug war und dass seine Planwirtschaft nicht wissenschaftlich genug war, sondern dilettantisch, preussisch-obrigkeitlich und gründlich deutsch. Aber das hat mit dem Mauerbau nichts zu tun.

Die DDR-Führung hatte im Sommer 1961 sehr wohl eine Wahl zwischen Mauerbau mit Schiessbefehl und Nicht-Mauerbau. Die Wahl hiess: Fortbestand des sozialistischen Experiments auf deutschem Boden oder Untergang desselben. Ich vermute, dass es Ulbricht und seiner Mannschaft nicht schwer fiel, sich für den Fortbestand zu entscheiden, aber sehr schwer fiel, sich für die Konsequenzen zu entscheiden. Wer macht sich schon ohne Not zum Gefängniswärter und Mörder von Landsleuten? Wer sich für den Fortbestand entschied, musste das in Kauf nehmen. Das war die brutale Logik des Kalten Krieges, die Logik des Systemwettbewerbs mit absurd ungleichen Startbedingungen, siehe oben. In Ost-Berlin hiess das: Wer sich mit deutscher Gründlichkeit für den Mauerbau als Staatsgrenze entschied, musste sich auch mit deutscher Gründlichkeit für den Schiessbefehl entscheiden. Bei illegalem Grenzübertritt wird an jeder Staatsgrenze auf der ganzen Welt geschossen, in die Luft oder auf den Mann. An der innerdeutschen Grenze war das: auf den Mann, auch auf Frauen und Kinder. Das war dann Sache der Volkspolizei und der militärischen Kampfgruppen der Arbeiterklasse. Für diese SED-Mitglieder war jeder Fluchtwillige ein Überläufer, ein Deserteur, ja ein Verräter. Die DDR war im Kalten Krieg ein Frontstaat, und entsprechend eiskalt, so stelle ich mir vor, war die Mentalität derjenigen, welche den Schiessbefehl ausführen mussten. Sie unterschied und unterscheidet sich jedoch nicht von der Mentalität der Elitetruppen der USA z.B. in Vietnam oder jetzt an den Computern der Armee-Drohnen. Ob ein Schweizer Elite-Soldat in der vergleichbaren Situation weichherziger wäre, lasse ich offen. Hinzu kommt noch, dass jeder Soldat für Feigheit vor dem Feind vor Militärgericht kommt und davor Angst hat. Angst fressen Seele auf . Mauerbau ohne Schiessbefehl hätte dasselbe bedeutet wie Ungehorsam ohne Strafe, wie Gefängnis-Ausbruch ohne Einfangen, also ein Loch im System und Andauern des Aderlasses. Wer eine Staatsgrenze setzen will, muss sie auch wirksam durchsetzen. Wer A sagt, muss auch B sagen. Da machte die DDR im internationalen Staatenvergleich keine Ausnahme, mit deutscher Gründlichkeit. – Natürlich falle ich nicht darauf herein zu behaupten, dass auch andere Staaten Mauern bauen, z.B. Israel oder die USA; denn diese schliessen aus, nicht ein. Dass die DDR einschliessen musste, war wie gesagt durch die absurd ungleichen Startchancen bedingt.

g) Was wäre geschehen, wenn Ulbricht und seine Mannschaft die Mauer nicht gebaut hätte? Kurzantwort: Dasselbe wie 1989/90: totale Vereinnahmung (Adenauer war Ziehvater von Kohl, dem Kanzler der Einheit) und sofort viel Konsum und westlich verstandene Freiheit, unter Preisgabe von Idealen wie Abrüstung und friedliche Völkerverständigung, Gratis-Bildung und -Medizin, Gleichstellung, flache Einkommensverteilung und Vermögensbildung usw. Das Ausbluten der DDR hätte in deren Selbstaufgabe geendet. Das wiederum wollten seine östlichen Nachbarn um jeden Preis verhindern, allen voran die Sowjetunion. Denn das hätte zu einem Näherrücken der gegen Russland gerichteten NATO geführt, was sich ja nun mit deren Osterweiterung doch noch ereignet, zur Freude der neuen Kalten Krieger. Die NATO ante portas, das wollte schon Stalin mit guten Gründen vermeiden, und Ulbricht/Honecker wollten das auch.

h) Die Absicht dieses Kapitels ist nicht, den Mauerbau und den Schiessbefehl zu verharmlosen oder gar zu ent-schuldigen, sondern: ihn nachvollziehbar zu machen. Aus der Logik des Kalten Krieges (den ja nicht der Ostblock anzettelte, vgl. Kap. 11) war die Mauer nötig. Der Mauerbau war keine Konsequenz des real existierenden Sozialismus, sondern eine Konsequenz des Kalten Krieges, er war und ist deshalb kein Argument gegen den zweiten Anlauf, für den ich mich hier stark mache. Anders herum: Wer den Sozialismus will, aber mit irgendwelcher Begründung findet, der Bau der Mauer wäre nicht nötig gewesen, der/die hat das nicht konsequent zu Ende überlegt – oder will keinen …

i) Aus übergeordneter Sicht hätte es sehr wohl eine Alternative zum Mauerbau mit Schiessbefehl gegeben: Westdeutschland wurde zu jener Zeit regiert von der CDU, der Christlich-Demokratischen Union mit Bundeskanzler Adenauer an der Spitze. Was hinderte ihn, das Ultimatum Chruschtschows anzunehmen? West-Berlin wäre ja das Schaufenster des Westens geblieben, auch das Tor zum freien Westen. In einem entmilitarisierten Berlin ohne alliierte Truppen hätte Ulbricht die Mauer wohl nicht gebaut, nicht bauen dürfen, Chruschtschow hätte sich andere Optionen ausdenken müssen. Christlich wäre aber vor allem gewesen, dem ärmeren Lazarus im Osten die gleichen Chancen zu Wohlstand einzuräumen wie den westdeutschen Wunderkindern, ihm also die Reparationen zu ersetzen, welche die DDR an die UdSSR entrichten musste. Das wäre nicht nur christlich gewesen, sondern überhaupt fair, denn für die Kriegsschäden der Sowjetunion standen die Westdeutschen mindestens so sehr in der Schuld wie die Ostdeutschen. Was wäre gewesen, wenn der CDU-Kanzler Adenauer zum (verachteten und gehassten) SED-Ulbricht gesagt hätte: „Da hast du 65 Mia. DM, dann haben wir die Reparationen proportional aufgeteilt. Und da sind noch 400 Mio. $ Marshallplan-Gelder. Damit sind wir quitt. Good luck mit deiner Planwirtschaft! Und wir lassen uns in Ruhe.“ Ja, was wäre dann? Im Nachkriegs-Deutschland wäre ungeheuer viel Leid vermieden worden, wohl überhaupt in der Welt.

k) Liebe deutsche Freunde, ich habe mich oft gewundert,

  • wenn ihr Diktatur gesagt und die Wahlen in der DDR unfrei genannt habt, ohne eine Ahnung vom dortigen Repräsentativ-Wahlsystem zu haben, z.B. 1963,
  • wenn ihr den Frontstaat DDR totalitär genannt habt, der einfach sicherstellen wollte, dass von Deutschland „nie wieder Krieg“ ausgeht,
  • wenn ihr Neues Deutschland als billige Propaganda abgetan habt, die systematische Hetze der Springer-Presse aber in Ordnung fandet,
  • wenn ihr die Ausbürgerung des Berufs-Kritikers Wolf Biermann als typische DDR-Repression gebrandmarkt habt, ohne euch mit der Billigung durch prominente DDR-Künstler auch nur zu befassen (Konrad Wolf, Ruth Berghaus, Anna Seghers, Paul Dessau),
  • wenn ihr die Stasi-Bespitzelung erwähnt habt, ohne an den Bundesnachrichtendienst und seine Bespitzelung zu denken,
  • wenn ihr die geringen Aufstiegschancen für Regime-Kritische in der DDR beklagt habt, ohne an die massive Observierung und Repression gegen westdeutsche Regime-Kritiker und an den Radikalen-Erlass von 1972 zu denken, den es übrigens in Bayern immer noch gibt: gegen Die Linke,
  • wenn ihr die Plattenbauweise typisch öde und hässlich schmähtet, ohne die Entschlossenheit zur Linderung der Wohnungsnot zu würdigen,
  • wenn ihr Häme über bröckelnde Fassaden und über Grau als Staatsfarbe der DDR ausgeschüttet habt, aber dasselbe in Neapel pittoresk fandet, wenn die Sonne darauf schien,
  • wenn für euch die Wahl zwischen 20 Waschmittel-Marken ein Sinnbild für Freiheit ist, ein gutes Waschmittel hingegen nicht, usw.

Das alles ist erklärbar mit den Forschungen zum Kollektiven Gedächtnis, welches für Manipulation erstaunlich anfällig ist, auch und gerade für politische, bild der wissenschaft 10/2016 S.57.

l) Wer bis hierher mit Lesen durchgehalten hat, interessiert sich vielleicht dafür, was mein Besuch des heutigen Checkpoint Charlie am 1. Mai 2014 mit mir gemacht hat:

Im Mauer-Museum wird heute (u.a. mit Ansteck-Knöpfen) veräppelt,

  • dass Ulbricht zwei Monate vor dem Mauerbau auf eine Journalistenfrage antwortete, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu bauen – entweder um eine grosse Panik zu verhindern oder weil der Mauerbau damals wirklich noch nicht beschlossen war; der Entscheid fiel nämlich erst am 5. August 1961 in Moskau (IGOR MAXIMYTSCHEW 03.08.2001)
  • dass sich Honecker (SED/DDR 1971-89) und Breschnew (Staats- und Parteichef UdSSR 1964-82) im Oktober 1979 einen sog. Sozialistischen Bruderkuss gaben, eine aus der orthodoxen Kirche stammende besondere Ehrerbietung,
  • dass die Bevölkerung der DDR mit primitivem Wohnraum, Mobiliar und Küchengeschirr auskommen musste, die Kinder mit entsprechendem Spielzeug, Autofahrer mit dem stinkenden Trabi,

und am Checkpoint selber lassen sich Girls unter Volkspolizei-Mützen neben Sandsäcken und flankiert von Fake-Uniformierten mit US-Flagge ablichten, bevor sie zur Kutschenfahrt entlang von Überresten der Mauer aufbrechen. Gleich neben diesen befindet sich ein Museum über die Nazi-Greuel, um auch ja die Ähnlichkeit der Regimes zu zeigen (Topografie des Terrors lautet die gemeinsame Inschrift), ferner eine Art Kiosk mit dem VW der DDR, dem Zweitakter Trabant oder hier: TrabiWorld.

Hatte ich bisher gemeint, die innerdeutsche Tragik hätte sich mit dem Aufholen der DDR-Wirtschaft vielleicht beenden lassen, so musste ich hier, angesichts der Vermarktung des Untergangs der DDR, zur Einsicht kommen, dass die Mauer eigentlich schon zehn Jahre vor ihrem Bau unausweichlich war, als die DDR gegenüber der BRD mit der 130-fachen Reparationslast in den Wettbewerb der Systeme einstieg. Die Ostzone hätte sich, wenn die Mauer als Staatsgrenze schon 1951 gebaut worden wäre, rascher entwickelt, und die dramatische Zuspitzung hätte sich wahrscheinlich vermeiden lassen.

Nach diesem Besuch war ich ganz benommen und stürzte in einem S-Bahnhof eine Rolltreppe hinab, Kopf voran. Zwei Bahnpolizisten fingen mich auf und verarzteten mich.

m) Konsequent zu Ende gedacht: War die Gefängnisstrafe für anordnende und ausübende Organe des Schiessbefehls, welche die Siegerjustiz nach dem Mauerfall verhängte, fair oder unfair ??

Über die Selbstaufgabe der DDR vgl. Kap. 26.

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