TEILEN

3. Unsere arrogante Weltsicht: Wir sind oben, die 3. Welt (!) ist unten, auch auf unseren (inneren) Landkarten. Entwicklungs!länder

a) Schon auf den Landkarten der Antike war der Norden oben, und er ist es noch heute. Wo auch immer unsere Erde dargestellt wird: Wir sind oben. Und so ist es auch in unseren Köpfen, ob wir politisch denken oder nicht: Wir schauen auf den Süden hinab. Wir sagen nicht: Ich reise nach Senegal hinüber, sondern: hinab. Das ist unsere Gewohnheit, sogar beim Tessin! Oder Sizilien.

Das hat sich ja nicht zwingend so ergeben. Wenn wir realiter nach Süden schauen, dann ist die Erde „flach“ und der Süden nicht unten. Es lassen sich sehr wohl Landkarten vorstellen, auf denen wir Nördler hinaufschauen nach Süden. Einfach umdrehen! Auch den Globus.

Als ich das zum ersten Mal tat, wurde mir ganz mulmig. Die Neger schauen auf uns herab! Die Muselmanen auch! Solche Bezeichnungen waren damals keineswegs rassistisch. Rassistisch war und ist hingegen die Sichtweise, dass sie unten sind, also unterlegen. Wem? Uns: den Schweizern, den Deutschen, den Europäern und Nord-Amerikanern, den weissen Christen. Sie können weniger.

Und sie leben in Entwicklungsländern. Sie müssen sich entwickeln. Wohin? Dorthin, wo wir schon sind. Dann wird es ihnen besser gehen – nein: gut. Wir haben ihnen auch eine Nummer gegeben: eine Drei. Wir sind die erste Welt, sie die dritte. Und dann gibt es noch die Schwellenländer, sie sind auf der Schwelle von drei zu eins. Es gab auch mal eine Zwei: den „Ostblock“, die Länder im „real existierenden Sozialismus“, also Osteuropa, die Sowjetunion, China, Nord-Korea, Vietnam und den karibischen Ableger Kuba. Davon sind nur noch wenige übrig. Die andern wollen sich dorthin entwickeln, wo wir schon sind. So verlockend haben wir die Welt eingerichtet, mit für uns nützlichen Handels-Regeln und notfalls mit militärischer Überlegenheit. Und wir haben die restlichen 9/10 nicht gefragt, ob sie das so wollen und dem zustimmen: ganz anti-demokratisch, ausserdem un-biblisch: Was ihr einem der Geringsten angetan habt, das habt ihr mir angetan – so ähnlich predigte Jesus. Wir halten diese Geringsten von unseren Honigtöpfen fern, mit Handels- und neuerdings mit Zuwanderungs-Beschränkungen, statt ihnen reichlich Honig abzugeben oder wenigstens ihre Imkerei nicht zu bombardieren. Sei’s drum: Sie wollen werden wie wir, leben wie wir. Und sie berufen sich auf einen Grundsatz, den wir ihnen aufdrängen: Globalisierung – aber andersrum: Die dritte Welt will sich mit der ersten Welt verheiraten und die Gütertrennung beenden, als gleichberechtigte Partner statt mit dem chronischen Gefälle wie bisher.

b) Unterdessen ist es aber gesicherte Erkenntnis, dass die Erde eine solche Entwicklung nicht erträgt. Es hat weder genügend Ressourcen noch Platz noch Entsorgungs-Kapazität. Unser ökologischer Fussabdruck muss daher sofort viel kleiner werden, sonst kollabiert unser Öko-System, und unsere Enkel werden uns verfluchen. Unser Klima warnt uns: Jetzt schmelzen die Gletscher und Eisberge, später die Ressourcen, und nur der Müll wächst. Also müssen wir uns entwickeln. Wohin? Die Grünen und die Linken haben Antworten. Der Club of Rome hat sie schon seit Jahrzehnten – und nur wenige hörten hin … Wir müssen ärmer werden, weniger verbrauchen statt immer mehr. Und wenn wir ärmer werden, hört auch die sog. Masseneinwanderung auf … Wir Schweizer wollen das natürlich nicht, wir haben soeben (25.9.16) die Volksinitiative Grüne Wirtschaft abgelehnt, welche bis 2050 (erst!) den ökologischen Fussabdruck so verringern wollte, dass wir nicht mehr Ressourcen verbrauchen als natürlich nachwächst – ohne Zwang und Verzicht; heute verbrauchen wir diese alljährlich schon bis August, leben also auf Pump, auf Kosten der Enkel.

c) Dieses Buch handelt massgeblich vom Kalten Krieg (1946 bis 1990) und davon, dass die falsche Seite gewann. Damals waren die Länder zwischen Prag und Peking wie gesagt die zweite Welt. Auch denen fühlten wir uns haushoch überlegen, dem real existierenden Sozialismus. Er kollabierte – nicht weil unser westliches System besser war/ist, sondern weil es die bessere Propaganda hatte. Doch davon später (vgl. Kap. 26).

d) Unsere Weltsicht ist recht über-heblich, das spiegelt sich schon in unseren Landkarten, auf denen wir grundlos oben sind. Und unsere Landkarten, so gesehen, spiegeln die realen Machtverhältnisse. Die Nördler (Europa und später die USA) mischen sich seit Jahrhunderten in die Lebensverhältnisse des Südens ein, grösstenteils mit verheerenden Auswirkungen: während der Kreuzzüge, mit dem Austilgen der Ureinwohner, mit der Sklaverei, durch die Eroberung und Ausbeutung der Kolonien, mit der Diskriminierung der nicht Englisch-sprechenden Nationen – z.B. durch Winston Churchill am 5.3.46 (vgl. Kap. 14: L.L.Matthias S.125) – mit dem Erzwingen von für uns vorteilhaften Handelsbedingungen (Neoliberalismus, WTO, CETA/TTIP) und neuerdings mit dem Finanz-Kapitalismus, welcher den Reichtum im Norden konzentriert und die meisten Länder des Südens verarmen und sich verschulden lässt. Huldvoll leisten wir Entwicklungshilfe und geben nur hinter vorgehaltener Hand zu, dass sie sich auszahlt – natürlich für uns. Und wir Nördler nehmen auch die knapper werdenden Ressourcen (Erdöl, Erdgas, Metalle, Uran, Wasser) und deren Transportwege in unseren Besitz, notfalls mit Kriegen (z.B. Kongo, Pakistan, Somalia, Jemen, Afghanistan zweitgrösste Kupfer-Vorkommen der Welt, Irak, Libyen, Mali, Syrien, Ukraine). Diese Blutspur wird von einer Mehrheit im Norden gutgeheissen, ja sie applaudiert ihren Mächtigen sogar – übrigens allesamt bekennende Christen. Ihr Bekenntnis allerdings, namentlich die Bergpredigt, spricht eine andere Sprache, mit Ausnahme des 11. Gebots: Machet euch die Erde untertan! Mit dieser selektiven Bibel-Lektüre schliesst sich der Kreis zu unserer Weltsicht und den Landkarten: Wir sind oben und geben der Erde den Tarif durch. Und wenn demokratische Strukturen die Machtelite daran hindern, hebelt diese sie aus, verlagert die wirklich wichtigen Entscheide in die Ökonomie und trifft sich für ihre Absprachen ganz oben, in Davos, im World Economic Forum.

e) Diese Blutspur zahlloser Kriege und Eroberungen sowie die bevorstehende Zerstörung unseres Öko-Systems, beides fast ohne Krankheits-Einsicht, veranlassen mich zum verzweifelten Ausruf: He ihr Nördler da oben, ABDANKEN und ABTRETEN! Letzteres im doppelten Sinn: Tretet eure Macht und euern Einfluss ab, und zwar der Lateinamerikanischen und Karibischen Staatengemeinschaft (CELAC), dem Süd-Süd- sowie dem Süd-Ost-Bündnis, den BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Die da unten machen den Job des Überlebens wahrscheinlich besser, wenn wir uns nicht mehr einmischen.

Was ist der Job des Überlebens, überhaupt die Essenz des Lebens auf diesem wunderbaren Krümel im All? Das Leben geniessen und weitergeben, selbstbestimmt, also ohne die Vorgaben von oben.

TEILEN
Warning: A non-numeric value encountered in /home/httpd/vhosts/mediation-rudorf.ch/wir-papageien.ch/wp-content/themes/Newsmag/includes/wp_booster/td_block.php on line 997