36. Hallo ihr Griechen: „Sparen, sparen!“ – bei den Renten, der Bildung, den Spitälern usw. – und warum nicht beim Militär? Damit Griechenland die deutschen Waffenlieferungen bezahlen und die deutschen und französischen Banken retten kann, nein: muss.
Griechenland gilt als die Wiege der abendländischen Kultur. Nun liegt es im Sarg. Wer sind die Totengräber? Das Land der Dichter und Denker mutierte zum Land der Richter und Henker. Und das kam so:
a) In den Jahren 2004 bis 2011, also unter nicht-linken Regierungen, stieg die Staatsverschuldung von 183 auf 355 Mia. Euro. 2012 sank sie auf 304 und unter der linken Syriza-Regierung von 320 auf 316 Mia. Euro, 1 Mia. < pro Jahr, immerhin. Im EU-Raum lautet die Prognose für 2017: weiter sinkend, fast als einziges Land, für Deutschland hingegen: steigend, erstaunlich! Im internationalen Vergleich, in % des BIP, hat Japan die höchste, Russland die niedrigste Staatsverschuldung, ein Sechstel derjenigen der USA.
b) Der Sarg beinhaltet die höchste Jugendarbeitslosigkeit der EU: > 50% (Deutschland: die niedrigste), und die höchste zu bewältigende Zahl von Bootsflüchtlingen, viel mehr als Italien, ohne Hilfskredit der EU. In der Ost-Ägäis muss Griechenland zehntausende Migranten und Flüchtlinge ernähren, weil die Ost-EU Zäune errichtet hat: Unser Boot ist voll – wieder einmal! – Der türkische Präsident Erdogan versuchte anfangs 2020, Griechenland noch mehr Flüchtlinge aufzuhalsen, nach seiner verheerenden Kurden- und Syrien-Politik (vgl. Kap. 41). Die EU hat das verhindert. Aber die humanitäre Lage auf der Insel Lesbos u.a. ist eine Faust aufs Auge der „westlichen Wertegemeinschaft“ – völlig selbst verschuldet (vgl. Kap. 3).
c) Griechenland gab 2010, als die Staatsverschuldung ihren höchsten Stand erreichte, 8 Mia. Euro für seine Armee aus, das gleich grosse Portugal 3,5 Mia. Auch 2014 war das Verhältnis 5:3. Bevor die Syriza-Regierung an die Macht kam, hatte Griechenland einen Militäretat über dem NATO-Durchschnitt vergleichbarer Länder. Warum? Es war nicht mehr bedroht als Portugal oder als die Türkei, welche, gemessen an der Bevölkerung, viel weniger ausgab. Im Schoss der NATO war und ist die Bedrohung ohnehin nur ein Mythos.
d) Welche Erklärung gibt es also für die überdurchschnittlichen Militärausgaben dieses armen Staates? Ich vermute dahinter die Luxus-verwöhnte, gierige Offizierskaste, welche die alte Feindschaft mit dem NATO-Partner Türkei immer noch zum Vorwand nimmt, den Militäretat über dem NATO-Durchschnitt zu halten, und welche im Verbund vor allem mit deutschen Waffenexporteuren dafür sorgen will, dass das so bleibt – im Verbund auch mit der Oberschicht, welche bekanntlich in diesem Land besonders gierig ist und – ja: Steuern spart wo sie kann, und damit zur hohen Staatsverschuldung beiträgt. Griechenlands Steuerzahler insgesamt schulden dem Staat nach Schätzungen des IWF rund 87 Mia. Euro (SDA 20Min. 30.5.16 S.15).
Die Lieferungen wiederum, heute nur noch Schrott, wurden zu hohen Zinsen von den deutschen Banken finanziert, welche vom deutschen Staat und Steuerzahler gestützt werden; deshalb war der damalige CDU-Finanzminister Schäuble der schärfste Gegner eines Schuldenerlasses – und ist es immer noch. Ohne einen solchen jedoch, und sei es nur teilweise, gibt es keinen Ausweg aus der Schuldenkrise. Die Schulden werden niemals ganz zurückbezahlt werden können; das jedenfalls ist mit guten Gründen die Position des IWF – auch meine. Die Risiko-tragenden Profiteure der Lieferungen und Kredite, die sollen bluten, die haben der Offizierskaste all die unnötigen Waffen aufgeschwatzt, nicht das griechische Volk! Die bisherigen Hilfskredite der EU flossen nämlich nur zu 5% ins griechische Staatsbudget und damit ins Ziel-Land, der Rest ging als Zins und Zinseszins sowie als Amortisation direkt an die deutschen und französischen Banken, welche die Waffenlieferungen vorfinanziert hatten: ein 300 Mia. Euro-Banken-Rettungsprogramm (TA 12.5.16 S.13 und 11.7.16 S.9) … Deutschland hat mit den Rettungs-Mia. seit 2010 insgesamt 2,9 Mia. Euro an Zinsgewinnen verdient: Zinszahlungen für das Halten der Anleihen (SDA in 20Min. 22.6.18 S.13). Schäuble, CHRISTdemokrat …
Wohin gehen die vom Euro-Rettungsfonds freigegebenen weiteren 2,8 Mia. Euro (SDA in 20Min. 26.10.16 S.13)? – Dass die Europäische Zentralbank die zerstörerische Wirkung der verordneten Sparpolitik auf den Lebensstandard der Griechen in Kauf nahm, hielt ihr der damalige Finanzminister Yanis Varoufakis drastisch vor. Er brachte damit die Finanzelite in Rage, was sie aber nicht dazu brachte, ökonomisch-logisch zu entscheiden, sondern macht-politisch. Varoufakis hat darüber Ende 2017 ein brillantes Sachbuch vorgelegt: Die ganze Geschichte. Wolfgang Schäuble, Christdemokrat, schäme dich!
e) Oder geht es doch ohne Schuldenerlass? Man könnte ja, statt beim Militär zu sparen, dies bei den Renten, im Gesundheits- und Bildungsbereich tun. Das ist es, was die Syriza-Regierung tut, in der Hoffnung auf Verständnis im Volk und aus Angst vor einem erneuten Militärputsch, wie schon 1967 (Regime der Obristen bis 1974): Wir Linken können das am ehesten sozialverträglich abfedern. Und mit der Einbindung der Rechten werden die neuen Steuer-Belastungen von den Superreichen am ehesten geschluckt – wenn sie denn keine neuen Tricks erfinden.
f) Jedenfalls tun alle so, als ob das funktioniere. Das ist beim ganzen Geld-System so: