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38. Der Papst sagt zur Salzsäure: „Werde Honig!“ Ist er naiv oder Komplize?

a) Schon oft haben wir beobachten können, dass der Papst in Krisen- und Kriegsgebieten oder -zeiten zum Frieden aufrief und die Konfliktparteien mit beschwörenden Worten an ihre ethischen Verpflichtungen erinnerte. Der amtierende Papst Franziskus I. tat dies z.B. auch während seiner Nahostreise vom 24. bis 26. Mai 2014 in Bethlehem und Jerusalem. Die Deutsche Presseagentur berichtet (zitiert in <Christen an der Seite Israels>): Bei einem Treffen mit der palästinensischen Führung um Präsident Mahmud Abbas forderte er die israelische und die palästinensische Seite zum „Mut zum Frieden“ auf. Beide Seiten sollten ihre Anstrengungen verdoppeln, um diesen „unerträglichen“ Konflikt zu beenden und einen stabilen Frieden zu erreichen, sagte er. Abbas erklärte: „Ich sende eine Botschaft an unsere israelischen Nachbarn, eine Friedensbotschaft: ‚Lasst uns Frieden schließen!‘“. Den israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas lud der Papst zu einem gemeinsamen Gebetstreffen für den Frieden ein. Dafür stelle er den Vatikan zur Verfügung, sagte Franziskus am 25. Mai 2014 am Ende der Messe in Bethlehem.
Bei seiner Fahrt durch die Stadt wich Franziskus von seinem Programmplan ab, stieg plötzlich aus seinem Papamobil aus und näherte sich der israelischen Trennmauer. An der Zementbarriere blieb er einige Momente. Der Papst besuchte außerdem ein palästinensisches Flüchtlingslager.

Das Gebetstreffen für den Frieden hat nicht stattgefunden, die Mauer steht noch, das Flüchtlingslager auch, und die israelischen Siedler, gefördert von der offiziellen Politik, stehlen weiterhin palästinensische Erde, Wasser und Würde. Was hat der Papst-Besuch am unerträglichen Konflikt geändert? Was bedeutet Mut zum Frieden?

b) Der Frieden bedeutet für die Palästinenser, nicht verhandelbar:

  • Rückzug der Israeli auf die Grüne Linie von 1967,
  • Anerkennung Palästinas als Staat im Sinne der UNO-Charta, und zwar in den Grenzen von 1967, mit einem Land-Korridor zwischen dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen,
  • volle völkerrechtliche Souveränität über dieses Staatsgebiet mit allen üblichen Hoheitsrechten und -pflichten,
  • Unterstellung der Siedler unter die Souveränität Palästinas,
  • Wiederherstellung der Hoheitsrechte über die Grundwasser-Reserven und sonstigen Ressourcen Palästinas,
  • Rückkehr der Flüchtlinge von 1948 und 1967 bzw. deren Nachkommen (5 bis 10 Mio. je nach Zählart), so weit diese das wollen, samt Landzuteilung mit Inländer-Vorrang auf Kosten der Siedler.

Der Frieden bedeutet für die Israeli, ebenfalls nicht verhandelbar:

  • Souveränität über das ganze Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan, also Annexion dieser Gebiete,
  • Duldung der Autonomie für die nicht besiedelten Gebiete West-Jordaniens, mit Vorbehalt von Enteignungen für neue Siedler,
  • uneingeschränkte Nutzungsrechte an den Grundwasser-Reserven und den Ressourcen der besetzten Gebiete,
  • Flüchtlinge? „Israel hat keinen einzigen Araber vertrieben.“ (David Ben Gurion)

Die Israeli können sich nur auf ihr eigenes sowie das Recht des Stärkeren und den Rückhalt in den USA berufen, die Palästinenser hingegen auf das anerkannte Völkerrecht und die moralische Unterstützung der Internationalen Gemeinschaft, mit Ausnahme der USA und Deutschlands.

Die Israeli verhalten sich auf dem Boden Palästinas wie Salzsäure (vgl. Kap. 21-23), ohne Bereitschaft zum Kompromiss, bis diese Nation dereinst vom Mittelmeer bis zum Jordan reicht, mit einigen Reservaten oder Bantustans für Palästinenser, die sich nicht wegmobben lassen wollen – wie in Südafrika zu Zeiten der Apartheid und in den USA bis heute.

c) Und was tut dieser Papst aus Argentinien? Er betet, liest eine Messe, führt Dialoge und lässt sich im Papamobil bejubeln. Sein hehres Wort vom Mut zum Frieden verkommt zur Leer-Formel, zu Schall und Rauch und Honig. Es wundert mich nicht. Dieser Gottesmann steht nur mit einem Bein auf der Erde, mit dem andern im Himmel. Diese Zweiteilung schwächt ihn. Hätte er den Mut, zu dem er Abbas und Netanjahu aufforderte, und würde er irdische statt himmlische Politik machen, also etwas Gerechtes und Nötiges bewirken wollen in diesem unerträglichen Konflikt, dann hätte er

  • die Realität benannt: Ein Volk stiehlt da einem andern Volk dessen Land, Wasser und Würde, schleichend, seit Jahrzehnten!
  • die Realität verändern wollen, im vielzitierten Namen der Gerechtigkeit,
  • den Anführer der Diebesbande, Netanjahu, mit Worten gegeisselt wie damals sein Glaubensbegründer Jesus den Händler-Mob im Tempel,
  • den Anführer der viel zu duldsamen Bestohlenen, Abbas, zum Widerstand im Stile von Gandhi ermuntert und ihn der ermutigenden Gebete der katholischen Christenheit versichert,
  • als weltliches Oberhaupt des Vatikans eine Sitzung des Sicherheitsrats der UNO beantragt oder jedenfalls die Traktandierung an der Generalversammlung veranlasst und mit seinem Einfluss nicht locker gelassen, bis Sanktionen (Handels- und Waffen-Embargo) verhängt würden gegen Israel, wenn es sich nicht innert zwei Jahren vorerst auf die Trennmauer und innert weiterer zwei Jahre auf die Grüne Linie von 1967 zurückzieht, den Staat Palästina anerkennt und die Siedler dessen Souveränität überlässt,
  • gleichzeitig versöhnliche Worte für diejenigen in Israel finden müssen, welche den Diebstahl vorantreiben, um sie für den wirklichen (!) Friedensprozess zu gewinnen, nämlich mit jüdischer Ethik einzulenken. Diether Dehm ab Min. 1.15 .

d) Dadurch würde er sich als erster Nicht-Europäer auf dem Stuhle Petri ein Denkmal setzen, sich vorteilhaft abheben von all seinen unseligen Vorgängern, die nicht naiv waren wie er, sondern Komplizen des Systems, der Salzsäure.

Es sei erinnert an

  • die Millionen Opfer der katholischen Ideologie während Jahrhunderten und
  • Pius XII. (1939-1958), Komplize des Mussolini- und Hitler-Regimes,
  • Johannes XXIII. (1958-1963), naiv und stur, Anti-Feminist und eiserner Verteidiger des Zölibats, ein Komplize
  • Paul VI. (1963-1978), scheu, weltabgewandt, politisch ein Mitläufer
  • Johannes Paul II. (1978-2005) aus Polen, Kalter Krieger (er half dem CIA, Solidarnosc zu finanzieren), Sympathisant des chilenischen Diktators Pinochet und Gegner der Befreiungstheologie, also Komplize
  • Benedikt XVI. (2005-2013), den Deutschen, Hassprediger gegen den Islam und Parteinahme für Israel, Komplize
  • Franziskus I. (seit 2013) siehe oben

e) Es bleibt zu hoffen, dass der amtierende, als links geltende Papst zu einem mutigen Förderer des Friedens in der Welt mutiert, indem er seinen enormen Einfluss zielwirksam dafür verwendet, die irdischen Fakten gerecht zu ordnen. Da helfen gutgemeinte Appelle z.B. an den WEF-Gründer Klaus Schwab nichts: Es seien Entscheidungen gefordert, die auf eine bessere Verteilung des Wohlstands ausgerichtet sind. Er bittet (!) Schwab sicherzustellen, dass Wohlstand der Menschheit dient, anstatt sie zu beherrschen (17./21.1.14) .

Der Papst unterschätzt seinen Einfluss, wenn er sich aufs Bitten verlegt. Er hätte, wenn er mit beiden Beinen auf der Erde stehen würde, durchaus Macht und Einfluss genug, um etwas zu bewirken. Stell’ dir vor, er hätte, statt an Schwab zu schreiben, das Weltsozialforum besucht, um sich dort, ganz im Sinne der Befreiungstheologie, für eine Nationalisierung des Banken- und Rüstungssektors sowie öffentliche, kooperative, kommunale und kollektive Eigentumsformen einzusetzen und für die Ausarbeitung eines konkreten Aktionsplans die Gebäude des Vatikans anzubieten. Erst auf dieser Basis entsteht ja ein gottgefälliges Miteinander der Menschen, Völker und Nationen (vgl. Kap. 46-50). Hätte das etwas Konkretes, Irdisches bewirkt? Vielleicht auch nicht. Aber es hätte den Mut zum Welt-Frieden gestärkt, mehr als alles Beten – der Angebetete hört ja eh nicht zu – sofern es ihn überhaupt gibt!

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