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39. Friedenspolitik – was ist das? Abrüstung? Das sind Profit-mindernde, also scheussliche Fremdwörter – jedenfalls im Westen: NATO, USA, GB, F, D, CH … Sonst wäre „Pazifist!“ kein Schimpfwort, sondern ein Kompliment und Vorbild.

a) Mehr als 1’000 Mia. $ jährlich werden weltweit für Rüstungsgüter ausgegeben, also für Schrott oder Tod. Diese Summen fehlen im produktiven Sektor. Allein mit dem Armee-Budget der USA (etwa 600 Mia. $) liessen sich alle Probleme dieser Welt, welche Geld kosten, lösen, und zwar dauerhaft (vgl. Kap. 28).

Wenn die Menschheit jemals aus dieser kindischen Entwicklungsstufe herauskommen soll, dann ist auch eine Umwertung der einschlägigen Werte (frei nach Nietzsche) nötig. Im heutigen politischen Diskurs hat Wehrhaftigkeit einen hohen Stellenwert. Sie vermittelt Sicherheit. Und dieses Gefühl ist ein zentrales aller Menschen, es steht in der Bedürfnispyramide (nach Maslow) weit oben: Essen, Trinken, Schlaf, Sicherheit, Fortpflanzung, Zugehörigkeit. Heute verbinden die Menschen dieses Bedürfnis automatisch mit Aufrüstung. Die American Rifle Association behauptet mit grossem Zuspruch, dass so viele Menschen durch private Waffen umkommen, weil es zu wenig private Bewaffnung gibt und nicht, wie Obama meinte, zu viel. Und die sog. Verteidigungs-Ministerien handeln dementsprechend, auch weit ausserhalb ihrer Hoheitsgebiete, sie haben die Vorwärts-Verteidigung entwickelt, den Präventiv-Krieg. Er erinnert an die Bubenspiele in Sandburgen.

b) Die Vision des Sozialismus (Rosa Luxemburg: Mit uns kein Krieg!) sagt dagegen, dass Sicherheit durchaus auch mit Abrüstung gewonnen werden kann. Alle sozialistischen Parteien und Staaten, als es noch solche gab, hatten auf ihren Bannern Frieden und Abrüstung. Sie duldeten keine privatwirtschaftlichen Rüstungsindustrien und keine Gewinne aus Krieg. Von sozialistischen Staaten sind denn auch kaum je Kriege ausgegangen, und schon gar nicht gegeneinander. Eigentlich genügt das als Beweis, dass, wer Frieden will, eine kapitalistisch organisierte Rüstungsindustrie ablehnen muss.

c) In der Gegnerschaft zu Staaten mit privatwirtschaftlich organisierter, Gewinn-orientierter Rüstungsindustrie war es freilich nicht möglich, diesem einfachen Gedanken Widerhall zu verschaffen, wie die Geschichte lehrt: Der Schiebe-Motor für Krisen und Kriege, der Military Industrial Complex mit seiner riesigen Lobby und raffinierten Propaganda, ist gewieft darin, Gründe für ein erneutes Drehen an der Aufrüstungs-Spirale zu erfinden (vgl. Einleitung a), seien es Lügen wie im Irak-Krieg I und II, seien es systematische Täuschungen im Sinne der <Methode Reagan> mit Angriffen statt Verteidigung, sei es die Finanzierung und Bewaffnung von Hochverrätern wie in Syrien (vgl. Kap. 41) oder sei es die Lüge von den aggressiven Russen und dass der NATO-Raketenschirm in Rumänien nicht gegen das angrenzende Russland gerichtet sei (20Min. 13.5.16 S.14).

d) Folgerichtig, so meldet die SDA, steigen die Militärausgaben der europäischen NATO-Partner um fast 3% und erreichen 1,5% ihres Bruttoinlandprodukts, und zwar angesichts der Spannungen mit Russland und dem Kampf gegen den Terror (20Min. 5.7.16 S.10). Beide Aufrüstungsgründe sind hausgemacht: Der sog. Terror resultiert aus der Einmischerei des christlichen Westens in die inneren Angelegenheiten der Länder des Islam (vgl. Kap. 24) und aus dem Hätscheln des anti-arabischen Israel (vgl. Kap. 21-23). Und mit Russland gäbe es keine Spannungen, wenn die NATO die Beitrittsgesuche der osteuropäischen, an Russland grenzenden Staaten, statt sie zu bestellen, abgelehnt hätte mit der Begründung, sie wolle den russischen Bär nicht unnötig reizen, der schon mehrmals von Westen her angegriffen worden ist und begründete Angst vor einer erneuten Umzingelung hat. Die Krim war seit Jahrhunderten russisch, und deren russische Bevölkerungsmehrheit wollte nicht hinnehmen, dass sie plötzlich von einer pro-westlichen Putsch-Regierung in Kiew vereinnahmt werden sollte, die in die NATO drängte, mitsamt der russischen Schwarzmeer-Flotte, die plötzlich der NATO unterstellt gewesen wäre! Seither schwafelt die westliche Propaganda von völkerrechtswidriger Annexion, obwohl die Sezession der Krim, also ihre Ablösung von der Ukraine, völkerrechtskonform war, wie die Ablösung des Kosovo von Serbien auch (vgl. Kap. 2). Die Spannungen mit Russland sind also nicht von Russland verursacht, sondern von der NATO selber, welche den Bär reizen und mit der Aufrüstung neuen Militär-Umsatz generieren will.

Christliche Friedenspolitik sieht anders aus, sie hätte die NATO-Osterweiterung und jetzt die erneute Aufrüstung unterlassen (vgl. Kap. 37). Dem deutschen Aussenminister Steinmeier war ausnahmsweise beizupflichten, wenn er am OSZE-Treffen in Potsdam für neue Rüstungskontrollgespräche warb und „vor einer neuen Phase des Wettrüstens“ warnte (SDA in 20Min. 2.9.16 S.13). Für das angeblich friedliebende Europa ist es ja beschämend genug, wenn die Rüstung ausser Kontrolle gerät – ein Beweis übrigens, dass der Military Industrial Complex wild wuchern will, eigengesetzlich, und dass nur seine Verstaatlichung eine Chance für Abrüstung bietet, was mehr und friedliebender ist als Kontrolle.

e) Wer also Frieden durch Abrüstung will, muss neue Werte setzen und sich mit diesen auf dem Banner daran machen, die Rüstungsindustrie zu verstaatlichen und ihre Propaganda-Tricks zu entkräften. Der Pazifismus sollte, wenn die Menschheit nicht verrohen oder gar dem Overkill erliegen will, wieder zum politischen Lifestyle werden, wie damals im Ostblock, von dem fast keine Kriege ausgingen und der vergeblich auf Abrüstung pochte (vgl. Kap. 11).

Nicht ganz einfach … (vgl. Kap. 37). Die Menschheit bzw. die UNO und ihre Mitglieder stehen vor der Herausforderung, sich zu einer höheren Bewusstseinsstufe zu entwickeln, mindestens zu Überlebens-Solidarität statt Hegemonial-Konkurrenz (vgl. Ken Wilber: Eros, Kosmos, Logos; Fischer Verlag). Dazu sind auch bereits jetzt Lebende in der Lage, dazu braucht es weder den neuen Menschen wie damals im Real-Sozialismus noch den Übermenschen wie bei Nietzsche.

Wenn es mir gelungen ist, kann es auch dir gelingen … Pazifismus als Lifestyle tönt doch gut, verdad?

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