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42. Krisen über Krisen, reiche Zentren und verlotterte Peripherien. Das gehört zum System, nein: So ist dieses System. Wer ist denn noch begeistert von kapitalistischer Verelendung? Die arbeitslose Jugend? Die Verarmten? Die Griechen (>300 Mia. Euro Schulden) oder andere Südeuropäer? Sogar die sowjetische Planwirtschaft machte weniger Fehler.

a) Haben wir denn in diesem kapitalistischen System je etwas anderes erlebt als Krisen?

Finanzkrise, Bankenkrise, Eurokrise, Landwirtschaftskrise, Immobilienkrise, Schuldenkrise, Währungskrise, Wachstumskrise, Ankurbelungs- und Nachfragekrise, Umweltkrise, Abfallkrise, Arbeitslosenkrise, Flüchtlingskrise, Sicherheitskrise, Nord-Süd-Gefälle, Mega-Städte und Landflucht, Verkehrskollaps, Blasen-Kollaps usw. usf. (vgl. Kap. 30) Und jetzt, im Frühling 2020, kommt da noch die Corona-Krise – mit der übrigens das kommunistische China effizienter fertig wurde als der „freie“ Westen … 

Ulrike Herrmann sagt dazu: „Der Kapitalismus überlebt jede Krise.“ https://www.youtube.com/watch?v=MKFsrlDxPI4 . Aber um welchen Preis und mit welchen Kollateralschäden ?? Niemand forscht daran, wie wir aus dem Kapitalismus aussteigen und in eine bloss noch bedarfsdeckende Kreislauf-Wirtschaft ohne Wachstums- und Gewinn-Zwang hinüberwechseln können (vgl. nachfolgend Kap. 45-50). Wir werden dieses Lügensystem also noch einige Generationen hätscheln …

b) Lügen? Warum schafft es dieses System, vollmundig globalen Wohlstand zu versprechen, und schafft es seit Jahrzehnten nicht, dieses Versprechen einigermassen einzulösen? Wir finden hochpolierte Zentren vor: die Schweiz und grosse Teile Österreichs, dann die City von Berlin, Frankfurt, Hamburg, Paris, London, Stockholm, Oslo, Prag, Mailand, Rom … und dann bröckelt es bereits. In Übersee sind es New York, L.A. und San Francisco, Mexico City (nur die City), Brasilia, Rio de Janeiro Downtown, Dubai, Singapur, Peking und Tokio nebst andern Zentren von Grossstädten. Und ausserhalb dieser Zentren sind wir permanent in verlotterten Peripherien, Banlieus, heruntergekommenen Städten wie z.B. Detroit und vielen mehr, weltweit, und wirtschaftlich dumpfe Gegenden wie Südeuropa oder heruntergekommene Kontinente wie Afrika, von einigen hochpolierten Städten abgesehen.

c) Warum schafft es dieses System nicht, das Gefälle einzuebnen, den Wohlstand und die Lebensqualität immer mehr gleichmässig zu verteilen und die grundlegenden Probleme der Menschheit zu lösen? den Wunschtraum aller Gutmenschen in meinem Umfeld zu erfüllen (vgl. Kap. 48)? Weil das nicht sein Ziel ist. Sein Ziel ist, wie Karl Marx es formuliert hat, die Akkumulation des Kapitals, oder eben geographisch ausgedrückt: hochpolierte Zentren – die verlotterten Peripherien sind ihm egal: Kollateralschäden. Ein solcher ist auch die arbeitslose Jugend, gebietsweise über 40%, in Griechenland 50%, in Bosnien 63%, und die Verarmung ganzer Landstriche. Die sind sogar nützlich, dort lässt sich billig produzieren und auf die Löhne in den Zentren drücken, und deren Ressourcen sind günstig zu privatisieren. Dass ein Prozent der Weltbevölkerung die Hälfte allen Eigentums besitzt, ist auch so ein Schaden – oder eben Nutzen, wenn man dazugehört. In Südeuropa ächzen einige Staaten unter einer Schuldenlast, deren Zustandekommen nur mit einem dummen, zutiefst inhumanen System erklärt werden kann, das einseitig von den Gläubigern diktiert wird. Es darf doch in einem humanen, abendländisch-christlichen System nicht sein, dass jedes Kind mit einer Überschuldung geboren wird, die es nie und nimmer abzahlen kann und will. Portugal hat 225 Mia. Euro Schulden (20Min. 24.2.15 S.17). Griechenland hat auch etwa 12 Mio. Einwohner und über 300 Mia. Euro Schulden. Im Durchschnitt kommt also jedes Kind mit einem Schulden-Rucksack von über 30’000 Euro zur Welt! Haupt-Gläubiger ist Deutschland, das reichste Land der EU, von einer Partei mit dem christlichen C regiert, welches zu einem Schuldenschnitt Njet sagt, auch zu Zins-Erleichterungen: Da könnte ja jeder kommen, wo kämen wir da hin ??

d) Das politische Krisenmanagement der Troika, ohne jede demokratische Legitimation, begünstigt die Sichtweise, dass die Probleme, die eigentlich weltweit bestehen und nur eine weltweite Lösung finden könnten, als solche eines Landes zu sehen sind – mit einer Lösung im eigenen Land. In Griechenland (vgl. Kap. 36) hat die Arbeitslosigkeit die unerträgliche Rate von 27% erreicht, die Zahl der öffentlichen Angestellten – die normalerweise eine Anstellung fürs Leben hatten – ist von 900‘000 auf 656‘000 verringert worden; ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, etwa 40‘000 Menschen haben die Städte verlassen und sind aufs Land geflohen auf der verzweifelten Suche nach einem Überleben als bäuerliche Selbstversorger. Der monatliche Mindestlohn in Griechenland ist in den letzten Jahren um 200 € geschrumpft, die Altersrenten verringern sich jedes Jahr um 5% … Varoufakis, der frühere Finanzminister, schildert eindrücklich, wie es Griechenland im Würgegriff der Eurogruppe ergeht. Die Troika ist eben kein Sozial-Verein.

Diese Entwicklung, die ein extremer Ausdruck einer Situation ist, die sich in sehr verschiedenem Ausmaß in allen Ländern abspielt, wird als ein Phänomen dargestellt, das auf Griechenland reduziert und durch die rein griechischen Probleme hervorgerufen worden sei. Sie erlaubt es dem Finanzkapital, einen dicken Rauchvorhang aufzuziehen und mit ihm das Verständnis für die allgemeinen Tendenzen, die den Kapitalismus auf der Welt beherrschen, zu vernebeln.

e) Trotzdem wagt es dieses System, sich als alternativlos zu bezeichnen und uneingeschränkte Treue einzufordern. Es wagt das, weil es die einzige grosse Alternative dazu, den real existierenden Sozialismus, seit dessen Beginn systematisch diffamiert und schliesslich, mit seiner hinterhältigen und jedenfalls besseren Propaganda, samt Ronald Reagans Politik der Täuschung, in die Knie gezwungen hat. Dagegen schreibe ich an (Kap. 46-50).

Gab es denn jemals ein Wirtschafts- und Polit-System, das langsam und stetig wuchs und die Bevölkerung zunehmend und flächendeckend mit der nötigen, wenn auch bescheidenen Bedarfsdeckung versorgte? Ja, die sowjetische Planwirtschaft zur Zeit Breschnews und später, also etwa ab 1970, oder die DDR in jener Zeit, oder Kuba und Vietnam. Man mag über diese Beispiele schnöden und flugs die Nachteile jener Wirtschaftsweise in die Waagschale werfen. Die gab es zweifellos, aber um diese geht es hier nicht (vgl. Kap. 17). Ich spreche vom soliden Wirtschaften jener Zeit in den Ländern des Ostblocks, welche praktisch keine Arbeitslosigkeit und keine Teuerung kannten und deshalb trotz Angebots-Knappheit ihre Bevölkerung ohne die genannten wirtschaftlich-politischen Purzelbäume ausreichend ernährten, samt ausreichender Sozial- und Altersvorsorge. Das brachte die vielgeschmähte Planwirtschaft zustande, wenn auch mit einigen, hierzulande hochstilisierten Mängeln. Kein Wunder, dass sich US-Präsident Harry Truman vor der Planwirtschaft als dem eventuell besseren System fürchtete (vgl. unten f und Kap. 10d). Hier lobt man die alleinseligmachende freie Wirtschaft, die ohne staatliche Bandagen angeblich am besten blühe. Nur: Wer schreit neuerdings nach Regulierung der Märkte, nach Bandagen für den Casino-Kapitalismus mit seinen Kapriolen, nach Rettung der Banken, nach Subventionen für vom Klimawandel betroffene Bergbahnen? Sind unsere Bauern freie Unternehmer? Eben nicht.

Insgesamt war die sowjetische Planwirtschaft, was das Vermeiden von Purzelbäumen betrifft, effizienter, ihr Wachstum konstanter und wenig Krisen-anfällig, ihre Kollateralschäden gering. Vor wirtschaftlicher Not und Unsicherheit hatten die Menschen keine Angst.

f) Angst hatten die Polit-Wortführer im Westen, das östliche System könnte den Wettbewerb der Systeme gewinnen. US-Präsident Harry S. Truman (1945-1953) hatte diese Angst: Die Planwirtschaft könnte erfolgreich sein und das Vorbild für das nächste Jahrhundert hergeben (Matthias S.127). Deshalb wurden ihre Erfolge systematisch niedergeschrieen. Ich erinnere mich an eine studentische Veranstaltung um 1964, in welcher der Aussenhandels-Attaché der UdSSR in Bern über solche Erfolge referierte und eindrückliche Statistiken zitierte. Er wurde – ja, niedergeschrieen, und die linke Studenten-Gruppe, welche ihn eingeladen hatte, wurde ausgelacht und geschnitten. Jene Statistiken durften nicht wahr sein. Heute sage ich: Sie waren wahrer als die Statistiken voller Blasen-Geld, das keinem Realwert entspricht und mit dem sich die Kaste der Rahm-Abschöpfer schamlos bereichert, während sie sich über den Rest der Welt lustig macht, der dumm ist, arbeitet und ihre Tische deckt.

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