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48. In einer besseren – nein: In einer guten Welt haben die Kinder und Jugendlichen … haben alle Erwachsenen … und alle Völker … In einer guten Welt gibt es die Liste in Kap. 30 nicht. In einer guten Welt braucht es keine Bettelbriefe von UNICEF, SolidarSuisse und anderen NGOs zu Weihnachten …

Das Wissen darüber, wie die Menschen nicht nur besser, sondern gut, weitgehend ohne Angst und in Würde leben wollen und können, ist längst vorhanden. Es ist sogar kodifiziert:

a) Seit dem 20.11.89 gibt es die UNO-Konvention über die Rechte der Kinder. Sie garantiert ihnen den Anspruch auf Trinkwasser, Nahrung, Unterhalt, medizinische Versorgung und Gesundheitsvorsorge, soziale Sicherheit, säkulare Bildung und berufliche Ausbildung, sichere Umgebung ohne Diskriminierung, Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit sowie auf Schutz vor Ausbeutung, sexuellem Missbrauch, Misshandlung, Verwahrlosung, Entführung und Kinderhandel. Diese Konvention ist von allen Staaten unterzeichnet mit Ausnahme der USA und Somalia. In einer guten Welt ist diese Konvention umgesetzt, als Minimal-Standard, und noch vieles mehr, das Kindern gut tut. Und selbstverständlich gehört dazu, dass es keine Kriege gibt, keine Flucht-Gründe, kein Neid-erzeugendes Sozialgefälle und kein Misstrauen. Kinder haben Anspruch auf Förderung ihrer Glücksfähigkeit (Jean Liedloff, Auf der Suche nach dem verlorenen Glück, München 1980/1994), also auf liebevolle Führung (Jesper Juul: Leitwölfe sein) in einer stabilen Bindung zu verlässlichen und umsorgenden Bezugspersonen (Gordon Neufeld: Seid das Brot für eure Kinder!), auf eine fördernde, fordernde und gewaltfreie Be- und Er-ziehung (Franz Ziegler, Kinderschutz-Experte), auf intrinsische Motivation (aus Freude am Tun, nicht aus Gieren nach Lob und Belohnung oder aus Angst vor Strafe; Alfie Kohn im MAGAZIN 47/23.11.19 S.9) – ja, auf das Paradies, hier auf Erden! Und auf Eltern, die daran glauben – und z.B. ihre Kleinkinder in rückwärts-gewandten! Kinderwagen ausführen, damit sie mit Mama wenigstens in Blick-Beziehung sind, während diese mit ihrem Smartphone zu tun hat. Sie haben Anspruch auf Eltern, welche ihnen eine sichere Welt bieten, welche also den Weit- und Durchblick in die Zusammenhänge haben, was zum Frieden und was zum Krieg führt (vgl. Andreas Zumach, Die kommenden Kriege, 2005), und sich für den Frieden engagieren (vgl. Kap. 39), auch in ihrer Familie. – Keine Selbstverständlichkeit: Etwa 168 Mio. Mädchen und Jungen weltweit müssen von klein auf bis zu 16 Std. täglich schuften. Für den Schulbesuch fehlen Geld, Zeit und Kraft.  www.plan.de/arbeit

b) In einer guten Welt haben alle Erwachsenen eine für ihr Auskommen genügende Erwerbsarbeit (Nr. 1 der ‚bindenden Sozialrechte’ in der Europäischen Sozialcharta) oder ein bedingungsloses Grundeinkommen als soziale Sicherheit (Nr. 4 der Sozialcharta), ebenso Anspruch auf Wohnraum (Zusatz in der Revision von 1996) und egalitäre Verteilung der Ressourcen, und sie geniessen alle anerkannten Individualrechte und -freiheiten. Die Einhaltung der Menschenrechte ist selbstverständlich. Besonderen Schutz geniesst das Recht auf Gleichbehandlung ohne jede Diskriminierung – und das Recht, sich aus diskriminierenden Gemeinschaften zu entfernen. In einer guten Welt ist der vorherrschende Lifestyle der säkulare Humanismus und sind einengende Religionen und Moralvorstellungen auf dem Rückzug. In einer guten Welt darf man sich freuen zu leben.

c) In einer guten Welt ist das Befolgen der UNO-Charta und des Völkerrechts selbstverständlich. Demnach haben alle Völker das Recht auf Selbstbestimmung, insbesondere das Recht, ihre Organisationsformen und ihre Regierenden selber zu wählen. Jeder Angriff, jede Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten ist verpönt. In einer guten Welt hat die UNO die erforderliche Macht, das durchzusetzen. Dann gäbe es, nur wieder als Beispiel, keinen Nahost-Konflikt und keine Kriege um Öl, Gas und Wasser usw.

d) Warum sind diese Grundrechte im 21. Jahrhundert nicht Standard und selbstverständlich? Warum hat die Schweiz die Sozialcharta nicht ratifiziert und schämt sich die FDP nicht dafür? Warum unternehmen die führenden Nationen der Welt nicht alles, um diesen Zielen näher zu kommen, insbesondere die USA mit ihrem globalen Führungsanspruch und dem erforderlichen Geld? Warum braucht es so viele private Hilfswerke, die sich dafür ins Zeug legen, die Feuerwehr? Warum ist die Arbeit von PublicEye (früher Erklärung von Bern), welche die Machenschaften der Schlechtmenschen aufdeckt, unverzichtbar? Warum gibt es den sog. Welterschöpfungstag, der alljährlich daran erinnert, wann die Menschheit die Ressourcen dieses Planeten aufgebraucht hat und der immer früher im Jahr stattfindet, 2018 bereits am 1. August? in der Schweiz bereits am 7. Mai (KAT in 20Min. 31.7.18 S.2). Warum winseln die Technik-gläubigen Bürgerlichen beim Anpeilen der 2000-Watt-Gesellschaft in Zürich, statt diese Herausforderung dankend anzunehmen?

In einer guten Welt gibt es die Liste in Kap. 30 nicht.

Offensichtlich ist es aber keine Priorität der Mächtigen, ihren Beteuerungen z.B. am WEF in Davos auch Taten folgen zu lassen. Und es ist klar weshalb. Oberste Priorität hat für sie nicht das Abarbeiten dieser Liste, sondern die Erhaltung ihrer Macht, militärisch, finanziell und propagandistisch, der Zugang zu den Ressourcen dieses Planeten und deren Beherrschung – und dieses Ziel wiederum wird diktiert von der Gier der (privatwirtschaftlich!) Mächtigen nach Noch-mehr, nach noch mehr unverdiente Privilegien, jedenfalls mehr als die Konkurrenten: Zu viel ist nicht genug, sagt treffend der Polit-Kabarettist Volker Pispers. Der neurotische Zwang heisst WACHSTUM – privatwirtschaftliches Wachstum – egal um welchen Preis. Er wurzelt letztlich im Christentum, im 11. Gebot: „Machet euch die Erde untertan!“ Obwohl das längst geschehen ist, dauert der Zwang an, wie eine Sucht, die sich verselbständigt hat: Fress-Sucht, politische Fettleibigkeit, privatwirtschaftliche Fusionen, marktbeherrschende Monopole (z.B. Bayer schluckt Monsanto, Mitte Sept. 2016).

e) Aufgeklärte Kreise wissen das schon lange. Und wir wissen auch, dass Konkurrenz-Streben und Drang zu Wachstum an sich nichts Schlechtes ist. Beides hat bei der Entwicklung der Menschheit mitgeholfen. Aber eine andere Ader in uns, die soziale, verlangt gebieterisch ein Gegengewicht: globale Kooperation auf Augenhöhe, Rücksicht auf Schwächere, Förderung aller Menschen statt weniger und Bewahrung der Lebensgrundlagen. Diese Seite in uns sträubt sich, den Ast abzusägen, auf dem wir alle sitzen. Sie ist seit Millionen von Jahren und weiterhin der Ansporn des Überlebens (vgl. Jeremy Rifkin und Elinor Ostrom (Nobelpreisträgerin)).

Das kapitalistische Polit-System jedoch stellt Gier und Konkurrenz weit über die Förderung aller. Es ist daher strukturell nicht in der Lage, seine Ziele zu ändern. Es hat in den 30 Jahren seiner Allein-Herrschaft versäumt, die Weichen in Richtung globaler Kooperation zu stellen, ja es wehrt sich heftig gegen solche Initiativen. Ein Vorzeige-Exponent dafür ist Donald Trump, Präsident und frommer Republikaner. Globalisierung in seinem Sinn soll nur dazu führen, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Präsident Jimmy Carter (1977-81), von ihm sicher belächelt, war ein Gegenbeispiel – fast ein Gutmensch. Gegensteuer zur Gier ist nur möglich, wenn die Macht der Privatwirtschaft massiv beschnitten wird.

f) Wer das zu Ende denkt, kann sich nicht damit abfinden, die fundamentalen Nöte der Menschheit privaten Hilfswerken zu überlassen, der Feuerwehr. Es braucht einen radikalen System-Wechsel, Brand-Verhütung an der Wurzel, damit die innovativen Kräfte der Menschheit nicht aufgerieben werden im Kampf gegen die institutionalisierte Gier, sondern sich entfalten können im Aufbau einer guten Welt.

Als Beispiel möge Bhutan dienen, das Königreich inmitten des Himalaya, welches sich nicht am Bruttoinlandprodukt orientiert, auch nicht am Bruttosozialprodukt, sondern am BruttosozialGLÜCK. Allen Berufs-Skeptikern zum Trotz lässt sich die Ideologie dieses Landes als völlig andere Orientierungs-Marke verwenden: nachhaltig und deshalb nachahmenswert.
Auf die Orientierungs-Marke kommt es an: Ein Staat in meinem Sinn soll und darf, ja muss ethische Werte und Ziele definieren und auch über ein Instrumentarium verfügen, sie zu realisieren. Das klingt anti-freiheitlich. Aber mit dem Laisser-faire des Liberalismus und schon gar des Neo-Liberalismus haben wir üble Erfahrungen gemacht: eben die im Kapitel 30 geschilderten, dass nämlich die Probleme zu- statt ab-nehmen. Interessant sind deshalb die ethischen Werte und Ziele des modernen China: Sie lauten: Wohlstand, Demokratie, Zivilisation, Harmonie, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Herrschaft des Gesetzes, Patriotismus, Leidenschaft für die eigenen Aufgaben, Freundschaft, Vertrauen (zitiert aus der Online-Zeitung REPUBLIK 5.10.18, Marcus Hernig, Absatz 5). Es sind Werte und Ziele, die sich an Konfuzius orientieren. Erreicht werden sollen sie mittels eines Sozialpunkte-Systems. Das klingt nach George Orwell: 1984. Aber China kennt die Tradition: Belohnen ist besser als Bestrafen. – Wir im Westen dürfen gespannt sein, ob, wann und wie China dieses hehre Ziel realisiert. – Das moderne und erfolgreiche China wird übrigens immer noch von der Kommunistischen Partei regiert. Schrecklich? Spring’ über deinen Schatten und bedenke, dass dein Bild von Kommunismus vielleicht in die Garage muss, einen grossen Service braucht …

Zu schön, um wahr zu sein? Da halten wir’s doch lieber mit Alt-Kanzler Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, soll zum Arzt! Im Ernst? Ich schlage dir vor, dass du dich künftig orientierst an den Standards einer guten Welt, diese sollen normal sein, nicht die Ausnahme, und dass du von dort her auf das Zeitgeschehen schaust und anfängst zu handeln, nicht vom Hochstand der Resignation her. Handeln? Siehe oben.

g) Ach ja, was ich noch sagen wollte: In einer guten Welt dürfen die Menschen sich lieben, sich frei lieben, dürfen lachen, tanzen, quirlig leben, sich Märchen erzählen, singen, fabulieren, tüfteln, ausrasten – auch ohne Grund und ohne Angst vor Ohrfeigen. Sie dürfen sogar naiv sein und im besten Sinn des Wortes sorg-los. In einer guten Welt ist für sie gesorgt, indem ihre Leistung, ihr Beitrag sie vollauf ernährt. Und sie dürfen ernsthaft sein, Verantwortung übernehmen, ans Übermorgen denken, Abenteuer bestehen, trauern und das Leben auskosten bis zur Neige.

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