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9. Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Die Friedensbewegung hat verloren.

Nach dem 1. und nach dem 2. Weltkrieg erschallte der gleiche Ruf, den Käthe Kollwitz 1922/23 auf Holzschnitten verdichtet hatte: Nie wieder Krieg!

a) Die Geschichte lief anders. Während vom sog. Ostblock im wesentlichen kein Krieg mehr ausging (Null bis zwei oder fünf, je nach Zählart, vgl. Link zu Gantzel), hat der sog. Westblock eine nicht abreissende Agenda an Krisen und Kriegen vorzuweisen – nach dem von mir vertretenen Politik-Verständnis: zur Freude der Gewinn-orientierten, privatwirtschaftlich organisierten Militär- und Rüstungsindustrie und ihrer Lobby-Papageien (vgl. Einleitung) und https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Kriegen#Gro.C3.9Fe_Kriege_seit_dem_Zweiten_Weltkrieg_.28mit_Opferzahl.29.

b) Ich wuchs in einer Zeit und Gegend auf, in welcher die Schuld an kriegerischen oder kriegsähnlichen Ereignissen stets dem kommunistischen Osten zugeschoben wurde: Berlin 1949 und 1961, Ungarn 1956, Kuba 1963, Tibet, Kongo, Korea, sogar Vietnam. Erst unter dem Einfluss von Herrn Wyss (vgl. Kap. 1) sowie mit intensivem Selbststudium bis hin zu den Recherchen hier kam ich zu anderen Einschätzungen. Ich lernte auch, dass eines der Ziele des Sozialismus ist, eine im grossen Ganzen friedliche Welt aufzubauen. Nachdem der real existierende Sozialismus aufgab (vgl. Kap. 26), gab ich diese Hoffnung auch auf, aus der bitteren (marxistischen) Erkenntnis, dass das privatwirtschaftlich organisierte Polit-System, eben der Kapitalismus, letztlich nicht friedensfähig ist (vgl. Einleitung), was er täglich beweist. Seine Antworten auf Terroranschläge sollen uns daran gewöhnen, dass nicht nach deren Hintergründen und Ursachen geforscht (vgl. Kap. 24), sondern dass aufgerüstet wird (vgl. Kap. 39), an allen Fronten, jetzt (Sommer 2016 und Frühjahr 2020, <Defender>), namentlich vor der russischen Westgrenze – ausgerechnet.

c) Wäre jeweils den Parolen der Friedensbewegten seit bald 150 Jahren gefolgt worden, dann hätten wir heute keine Kriege und keine Terroranschläge, sondern wir hätten den alten Menschheits-Traum nach einer besseren, nein: nach einer guten Welt verwirklicht (vgl. Kap. 48-50).
Eine kühne Behauptung, natürlich. Immerhin Anlass, sich diese Parolen sowie ihre Urheber und deren Ideale und Rezepte wieder mal anzuschauen – bis hin zu dem da
.

Ich erwähne zwei Persönlichkeiten ausserhalb jeder Friedensbewegung, die unter diesem Aspekt fast vergessen sind:
Willy Brandt (1913-1992)
Die SPD hat das Thema Antifaschismus niemals offensiv aufgegriffen aus Rücksicht auf deutsch-nationale Ressentiments. An der Parteispitze befand sich Helmut Schmidt, ein ehemaliger Offizier der Hitlerwehrmacht, der auch Kanzler wurde und US-amerikanische Kurzstreckenraketen gegen Russland auf deutschem Territorium installieren ließ trotz der landesweiten Friedensbewegung, die sich hinter Petra Kelly kraftvoll und entschlossen massiv dagegen mobilisierte und opponierte. Willy Brandt trat zeitweise für ein antifaschistisches Bündnis auch mit den Kommunisten ein. Nach dem hitlerdeutschen Angriff auf den Osten wertete er die Sowjetunion als notwendigen Alliierten, um dem Dritten Reich militärisch ein Ende zu setzen. Als Partner beim Aufbau eines demokratischen Deutschlands hatte er den sowjetischen Staat noch 1944 ins Auge gefasst. Geliebt wurde Brandt Ende der 60er, Anfang der 70er vor allem in Teilen der nachwachsenden Generation. Willy Brandt war Ausdruck für die Hoffnung auf eine neue politische Kultur in Westdeutschland, auf den endgültigen Abschied vom Adenauer-Staat und den Hinterlassenschaften des deutschen Faschismus. Willy Brandt war eine eindeutige Alternative zu Globke und Co. in der Bonner Republik. (Jan Lenkait 29.12.15)
und
Irving Langmuir (1881-1957), Nobelpreisträger für physikalische Chemie. Er sprach mit russischen Wissenschaftlern vier Monate nach der Atombombe auf Hiroshima (6.8.45) und vier Jahre vor der Explosion der ersten russischen Atombombe und schlug Truman und dem Senat vor, eine <internationale Kontrollstelle für atomare Macht> einzurichten. „Die Russen wären mit hoher Wahrscheinlichkeit bereit gewesen, sich an einer solchen Kontrolle zu beteiligen. Ein atomares Wettrüsten wäre dann verhindert worden, und beide Seiten hätten mehr Geld gespart, als erforderlich gewesen wäre, um die wichtigsten Probleme sämtlicher unterentwickelten Länder innerhalb einer Generation in Angriff zu nehmen oder sogar zu lösen. … Roosevelt hätte wahrscheinlich diesen Weg gewählt. Er hätte Langmuir sofort in seinen brain-trust aufgenommen und die Verhandlungen mit Stalin begonnen. Aber Truman war für diese Aufgabe zu klein.“ (L.L.Matthias S.369) vgl. mein Kap. 28: „und der Einfluss des Military-Industrial Complex zu gross.“ Ergebnis: Das Gleichgewicht des Schreckens. Es dauert immer noch an – aber wir fokussieren lieber den IS …

d) Insgesamt wird sicherlich niemand dem Fazit widersprechen, die Friedensbewegung habe verloren. Wenn wir dem Sozialismus eine zweite, nämlich eine faire Chance geben, würde sie gewinnen. Keine kühne Behauptung: Schwerter zu Pflugscharen! war ein Aufnäher an Jugendkleidern der DDR, in biblischer und sozialistischer Tradition. Jesus Christus, von dem sich alle Aufrüster herleiten, würde diese aus dem Tempel jagen wie weiland die Pharisäer und Händler. Sogar als Atheist bin ich mit ihm da einer Meinung.
Der oberste Aufrüster und zugleich Christ, Donald Trump, hat am 6.7.17 in Warschau vor der versammelten politischen Elite Polens, allesamt Katholiken, im beschwörenden Ton eines Erweckungspredigers gefordert, alle NATO-Staaten sollten 2% ihres Bruttoinlandprodukts für Kriegsmaterial ausgeben. Die Christen im Saal, also alle, applaudierten ihm. Dabei ist gemäss Kriegs-Statistik längst erwiesen, dass die Politik Frieden durch Stärke die Welt nicht friedlicher, sondern Kriegs-lüsterner macht. Das Evangelium deckt diese Einsicht … Und der Rüstungs-Etat der USA übertrifft denjenigen Russlands etwa im Verhältnis von 10:1, die Zahl der Angriffskriege um ein Vielfaches davon (vgl. Einleitung). Die gigantische Staatsverschuldung der USA wächst weiterhin, zumal sie 3,5% des BIP in ihre Rüstung investieren.
Aber es gibt keine Friedensbewegung (mehr), die diesem mörderischen Wahnsinn die Stirn bietet. 

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